Der Ingenieur

Der Ingenieur Georg Asmussen


Er stellt sein Licht unter den Scheffel

Am 14. Mai 1856 wurde der Angler Heimatdichter Georg Asmussen als Sohn des Schulmeisters Peter Henning Asmussen in Pommerby geboren. Getauft wurde er auf den Namen Jes Georg.

Mit dem Namen Jes (nach seinem Großvater) er sich nie hat richtig anfreunden können, in seinen Erinnerungen schreibt er darüber: "Von dem ersten Vornamen habe ich nur Gebrauch gemacht, wenn man mich amtlich oder sonst wie hochnotpeinlich fragte." Grundlage dieses Artikels sind die Lebenserinnerungen Georg Asmussens, die er in den Jahren 1926 – 1933 geschrieben hat. Sie sind bei Husum Druck unter dem Titel "Sich nicht werfen lassen!" erschienen. Er selbst schreibt dazu: "ich betone, dass ich die Lebenserinnerungen nicht niederschreibe, weil ich mich für einen großen Propheten halte, sondern weil ich in einer Zeit gelebt habe, wo der Grund gelegt wurde, zu des Reiches Macht und Herrlichkeit, weil ich habe mitarbeiten dürfen an dem gewaltigen Aufwachsen der Industrie … aus meinen Erinnerungen soll vielmehr das hohe Lied der Arbeit hervor klingen, das mich ein Menschenalter umbraust hat. Ich habe manchen Bahnbrecher und Überragenden kennen gelernt, und bin mit Männern, deren Namen nicht vergessen werden sollen, ein gut Stück meines Lebensweges gewandert. Ihrer will ich gedenken.".

Mit diesem Satz wird die Schwierigkeit des Chronisten deutlich. Georg Asmussen stellt sich zwar dar, aber er bespiegelt sich nicht. Seine großen technischen und schriftstellerischen Leistungen streicht er nicht heraus, sondern er stellt sein Licht unter den Scheffel. Man muß bei ihm zwischen den Zeilen lesen und noch weiter recherchieren.

Peter Henning Asmussen

Das Jahr 1856 ist die Zeit, wo in Schleswig-Holstein der Kirche Dänisch gepredigt werden muß und in der Schule kein Deutsch unterrichtet werden darf. Peter Henning Asmussen leidet sehr darunter und es gibt immer wieder Phasen der Schwermut in seinem Leben. In Peter Hennings Aufzeichnungen steht:

"Was quält ihr und verfolgt ihr mich. Ich gebe dem Kaiser, was des Kaisers ist, aber ich kann nicht anders. Ich muß Gott geben, was Gottes ist. Ich kann und will meine Muttersprache und mein Volkstum nicht verleugnen, die ich von Gott habe. Und wenn deutsche Väter und Mütter mich bitten, ihnen zu helfen, dass auch ihren Kindern die Güter erhalten werden, so kann ich ihnen nicht Steine statt Brot geben. Ihr schnürt mit unerträglichen eisernen Banden die Brust ein und weiset ehrliche freie Worte zurück mit dem Hinweis auf das eherne, unabänderliche drohende Gesetz." Nach dem Sieg der Preussen 1864 wechselt er nach Ülsby. Dort ist die Lehrerstelle mit der Küsterstelle gekoppelt und besser bezahlt. Bei den Leuten ist er anerkannt und man sollte meinen, dass jetzt alles besser wird. Aber in einem Anfall von Schwermut scheidet Peter Henning Asmussen 1868 in der Sakristei der Ülsbyer Kirche freiwillig aus dem Leben. Seine schriftlichen Abschiedsworte sind: "Du rufst Herr Jesus, ich komme, ich komme."

Die Mutter zieht mit Tochter und Sohn nach Nieby auf den Hof Mangelsen. Die Bäuerin ist eine alte Freundin der Mutter Die Mutter war bei 17 Jahre vorher hier einmal in Stellung. Sie bietet der Familie die leerstehende Abnahmewohnung kostenlos an. Ein Glücksfall für die Familie, denn die Pension ist minimal und die Mutter schlägt sich mit Näharbeiten durch. Georg Asmussen hat auch Glück. Er kann am Privatunterricht für Konrad Ziese, dem Sohn des Geltinger Pastors, teilnehmen. Pastor Ziese wird im Sommer 1869 nach Schleswig versetzt. Aber er sorgt dafür, dass Georg Asmussen mitkommt und auf der Domschule angenommen wird. Georg wird siebtes Kind im Hause Ziese. Frau Ziese unterschreibt ihre Briefe an Georg Asmussen bis an ihr Lebensende immer mit "Deine Mama Ziese".


In Schleswig

An der Domschule muss er Latein und Französisch nachholen im Privatunterricht und – er wird Klassenprimus. Aber nach der Höhe kommt die Tiefe und der Klassenprimus bleibt im nächsten Jahr sitzen. Er hat seine Gedanken nicht beisammen und beschäftigt sich mit anderen Dingen. Ein vermeintlicher Schummelzettel, der bei ihm gefunden wird, entpuppt sich als Entwurf für ein "Perpetuum mobile." Dafür handelt er sich Hohn und Spott seines Lehrers ein. Zu seiner Zeit auf der Domschule äußert er sich wie folgt: "die neuere Geschichte, auch die vaterländische geriet ins Hintertreffen. Auch Mathematik und Naturwissenschaften kamen nicht zu ihrem Recht, von anderem, was zum Leben notwendig ist, nicht zu reden." "Es liegt so manches Dunkle über meinen Schuljahren, aber das war nur wie der Schatten der Wolken, die bei hellem Wetter über das grüne Feld treiben."

Eines aber wird während der Zeit an der Domschule geweckt. Seine Liebe zur Natur. Im Biologieunterricht wird er zum eifrigen Botaniker und Käfersammler, er züchtet Raupen und kann an keinem Steinhaufen vorbeikommen, ohne ihn abgesucht zu haben. Dieser große Naturliebhaber bleibt er sein Leben lang. Überall wo er arbeitet oder hinreist, dort "käfert" er auch. Seine umfangreiche, stattliche Käfersammlung verkauft er in der für ihn bitteren Inflationszeit an die Naturkundliche Sammlung in Flensburg

Es geht aufwärts

Diese Zeit ist aber auch eine Zeit der Technik. Die große Zeit der Industrialisierung ist in Deutschland da. Ältere Schüler verlassen mit dem Einjährigen die Schule und werden Ingenieur. Und auch in GA regt sich der Wunsch Ingenieur zu werden. 1873 verläßt er die Schule und beginnt eine Lehre bei der Maschinenfabrik Gebr. Klemm in Eckernförde. Er "wollte sich für eine Welt anmelden, die von Ingenieuren gebaut wurde." Die Geldmittel der Familie reichen nicht, um Volontär mit nur 3 Jahren Ausbildung zu werden, er wird regulärer Lehrling mit 4 Jahren Ausbildungszeit.

Seine Lehrzeit beschreibt GA sehr anschaulich, vor allem, dass er als Lehrjunge auch alle Drecksarbeit machen muss. Hier entwickelt er plötzlich enormen Ehrgeiz. Er will weiterkommen, er will lernen und arbeitet deshalb wie ein Besessener. Und so kann er eines Tages zu Meister Fritz sagen: "Meister, ich habe keine Arbeit mehr. Kann ich nicht an die Drehbank kommen?"

Er schafft es und bekommt sogar als Lehrling "Akkord". Und jetzt passiert etwas für ihn sehr Positives, es werden für die Belegschaft Abendkurse eingerichtet. Es gibt plötzlich Unterricht in Maschinenlehre und Fachzeichnen. GA macht begeistert mit. 1876 hat er dann nach nur dreijähriger Lehrzeit seinen Gesellenbrief in der Hand.


Hannover, Langensalza, Borby

Er geht nach Hannover und leistet bei der Feldartillerie "Einjährigen" Dienst. Allerdings erfüllt sich sein Traum nebenbei Vorträge beim Polytechnikum hören zu können nicht. Das Militär lehnt ab. Nach der Dienstzeit geht er zum Polytechnikum nach Langensalza in Thüringen. Hier konnte man in verhältnismäßig kurzer Zeit sein Examen machen, was seinem schmalen Geldbeutel sehr zu statten kam.

Über das Studium schreibt er: "Nun könnte jemand sagen, ich hätte dort nicht viel gelernt. Ich will dem nicht widersprechen. Aber das muß ich hinzufügen. Ich habe viel von dem gelernt, worauf es ankam: Ich erwarb eine feste Grundlage, auf der ich im späteren Leben und Beruf weiterbauen konnte." Nach dem Studium geht es ihm so, wie vielen jungen Leuten heute auch. Er schreibt Bewerbungen über Bewerbungen und ist froh, wenn er eine Antwort erhält. Aber keine Stelle ist in Aussicht.

Seine Mutter lebt mittlerweile in Borby und Georg Asmussen liegt ihr sehr zu seinem Mißfallen wieder auf der Tasche. Als er eines Tages nach Eckernförde marschiert, sieht er durch die große Tür der Klemm`schen Fabrik "seine" Drehbank. Sie steht still. Keiner arbeitet an ihr. Sein alter Meister Fritz sieht ihn und er wird wieder als Dreher bei Klemm eingestellt. "So arbeitete ich denn am Tage in der Fabrik und schrieb abends Stellengesuche. Letztere ohne Erfolg."

Der Durchbruch

Der Durchbruch kommt erst als "Mama Ziese" an ihren Neffen Carl Ziese nach Elbing schreibt, der dort als Schiffbauer eine leitende Stelle bei Schichau innehat. GA wird als Ingenieur eingestellt und arbeitet im Lokomotivbau. Seine erste Konstruktionszeichnung ist die Zeichnung für eine Brücke zwischen Lok und Tender. Aber er arbeitet hier auch erstmalig als Zeichner an einem Patent mit. Es handelt sich um das Schönbornsche Läutewerk für Lokomotiven. Leider taucht gleichzeitig mit diesem Läutewerk das Latowskische Läutewerk auf dem Markt auf und das war das Ei des Kolumbus. Es funktioniert heute noch bei den Dampflokomotiven.

Georg Asmussen bleibt 2 ½ Jahre bei Schichau, dann wechselt er zur Maschinenfabrik Wohlert nach Berlin. Hier wird er Konstrukteur für Lokomotivtender. "Ich erhielt den Platz, den der Tenderfritze eben verlassen hatte. Da wusste ich, was mir blühte. Blechschuster sollte ich werden. Ich fügte mich willig in die Arbeit und dachte, es kommt wohl auch mal was anderes." Weiter sagt er: "Auch hier standen die Denker und Schaffenden einer auf des anderen Schulter, fügte sich Glied an Glied. Wer den letzten Schritt aus dem Dunkel ins Helle tut, den sieht und ehrt man. Die meisten der vielen, die auch ihr Bestes hergaben, die Fundamente legten, Baustein und Bauteile einfügten, durch neue Gedanken, durch wissenschaftliche und praktische Hilfe die Arbeit wieder einen Schritt weiterbrachten, die sind vergessen, oft im Elend gestorben, wenn der Erste ins Ziel kommt. Und das, weil auch sie ihrer Zeit zu weit voraus waren."

"Um manchen Schornstein im Lande, den man in der Gründerzeit keck in die Luft hinaufschoben hatte, dessen Rauchfahne die Arbeiter vom Lande in die Stadt gelockt hatte, kreiste jetzt der Pleitegeier." Auch über Wohlert kreist der Geier und so bewirbt sich er woanders, so bei Borsig und Schwartzkopff, aber vergebens.


Zeit des Wanderns

Aber der Oberingenieur von Wohlert vermittelt GA zum Lokomotivbau Egestorf (später Hanomag) in Hannover. Nach einem Jahr ist GA dann wieder in Berlin bei BMAG (Berliner Maschinenbau AG vormals Schwartzkopf). Er sitzt jetzt aber in der Falle. Im Lokomotivbau sieht er keine Zukunft, denn es ist die Zeit der "Normalien". Die Königl. Preuss. Eisenbahn Verwaltung beginnt Normen für Lokomotiven und Wagen zu entwickeln. Nur in Details kann davon abgewichen werden. Das war nicht die Zukunft von der er träumte. Bei BMAG baut er Lokomotiven von Normalspur auf russische Breitspur um. Dabei bringt er dann eine zeichnerische Meisterleistung zustande. Da die Russen erst zahlen, wenn sie sämtliche Zeichnungen haben, verpflichtet er sich eine Lokzeichnung innerhalb von 14 Tagen zu erstellen. Normal wäre 4 Wochen Zeichenarbeit. Er schafft es und man zahlt ihm eine Gratifikation. Davon leistet er sich einen neuen Anzug und eine Heimfahrt zur Mutter.

Plötzlich bietet sich eine Chance aus dem Lokomotivbau herauszukommen. Durch die Empfehlung eines Freundes kommt er bei der Maschinenbauanstalt Hoppe unter. Er tut dies, trotzdem BMAG ihm ein höheres Gehalt bietet. "… bei C. Hoppe baute man sozusagen eben alles an Maschinen und Fabrikanlagen, was verlangt wurde. Diese berühmte alte Maschinenfabrik in der Gartenstrasse hat Dampfmaschinen geliefert, von der riesigen Watt’schen Balanciermaschine bis zur neuzeitlichen Verbundmaschine und Lilienthalschen Kleindampfmaschine. Er Wasserhaltungs-, Förder- und Gebläsemaschinen, große Werkzeugmaschinen, Lokomobile, Pumpen, Pressen und hydraulische Anlagen, richtete Ölmühlen, Brauereien und andere Fabriken ein und leistete auf vielen Gebieten Hervorragendes."

Endlich ist er da, wo er immer hin wollte. Hier lernt er die Vielfalt seines Berufes kennen, hier wird er jeden Tag mit Neuem konfrontiert. Nachdem der Firmengründer tot ist wird umorganisiert. Er bemerkt dazu: "Er ist tot, sein Werk wurde vom Erdboden verwischt, aber der Geist, der dort schaffte und schuf, ist nicht untergegangen; seine Wellenringe gingen weiter, und man hat sie gespürt hier und dort in Deutschland, wo Neues und Großes entstand. Auch mir war bei Hoppe eine andere Welt aufgegangen und doch kam der Tag, wo ich mich entschloß, wieder zum Wanderstab zu greifen."

Georg Asmussen erhält ein Angebot von Gebr. Klemm in Eckernförde. Dort sucht man einen tüchtigen Ingenieur. Er sagt dazu: "Nicht lange! Ich fand mich in die kleinen Verhältnisse nicht wieder hinein, und ich merkte bald, dass es gut gewesen war, die Brücken nach Hoppe nicht ganz hinter mir abgebrochen zu haben. Es war die Zeit, wo die Meierei-Genossenschaften überall bei uns auftauchten. Und da ging es mir wie meinem späteren alten Freund Heinrich Dräger, der dann Begründer des weltbekannten Drägerwerkes wurde. Er sagt in seinen Lebenserinnerungen: ´ Die Maschinen, die ich verkaufen sollte, kannte jeder intelligente Bauer genauer als ich. So etwas ist peinlich, lässt sich allerdings abändern, aber mich drückte doch in mancher Beziehung die Enge ´"

Hamburg

Aber in Eckernförde findet Georg Asmussen sein großes Glück wie er schreibt. Er lernt seine spätere Frau Theodora kennen. Jetzt ist für ihn die Zeit des Wanderns zu Ende. Er fängt 1885 bei Blohm & Voss in Hamburg an. Die Kleinwerft steht vor gewaltigen Veränderungen. Sie soll sich zur Großwerft entwickeln und Georg Asmussen fällt die Aufgabe zu, die neuen Gebäude und Einrichtungen zu entwerfen und zu konstruieren. Er schreibt: "Was man damals von einem ´allgemeinen Maschinenbauer´ verlangte, war viel, und was ein solcher sich allein zutraute war, war anmaßend! Aber damals hatte ich guten Mut." Aber er hat auch Glück. Herr Voss, gebürtig aus Fockbek, bevorzugte bei Einstellungen seine schleswig-holsteinischen Landsleute. Außerdem war Hoppe Berlin eine gute Empfehlung.

Als erste Aufgabe soll er eine Vorrichtung zum Ausbohren der Propeller konstruieren. Man legt ihm die Zeichnung eines kleineren Gerätes vor mit der Maßgabe diese zu vergrößern. Dabei setzt sich sein kritischer Verstand durch, er bringt Verbesserungen ein und hat damit Erfolg. 25 Jahre später sagt dann Herr Blohm an der Festtafel, als GA neben ihm sitzt: "Herr Voss, der hat sie damals entdeckt, als Sie die Vorrichtung zum Ausbohren der Propeller konstruierten. Als er herunterkam aus dem Büro, sagte er zu mir: ´Nun haben wir doch mal wieder einen Kerl zu fassen gekriegt, der nicht nachmalt, was andere vor ihm gemacht haben, sondern der selbst nachdenkt und eigene Ideen hat.´" Diese Begebenheit festigt Georg Asmussens Stellung und nach ein paar Monaten wird ihm beschieden, dass sein Vertrag für die Zukunft gesichert ist. GA heiratet und zieht nach Hamburg.

Für ihn gilt es dann die neue Werft und ihre Gebäude zu konstruieren. Dazu stehen Blohm & Voss 50 000 qm zur Verfügung. Er geht in seiner Aufgabe auf und 1891 zieht er dann in das neue Verwaltungsgebäude. Er ist in diesen 6 Jahren mit einer Fülle von neuen Problemen konfrontiert, die er lösen muss. Die Probleme werden gelöst. Das Resümee beschreibt er so: "´Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand´ Ein Spruch, der allerdings nicht leichtfertig aufgefasst sein will, der aber nahe verwandt ist mit dem anderen Spruch ´ Genie ist Fleiß!´ Und als Drittes darf man hinzusetzen:´ wer schaffen will, muß den Mut haben, Verantwortung zu übernehmen.´ Alles zusammen hätte mir aber nichts genützt, wenn ich in den Herren Blohm & Voss nicht Vorgesetzte gehabt hätte, die selbst Initiative ergriffen, und die, wenn man ihnen Projekte vorlegte, mit Sachkunde und klarem Blick prüften und doch einem freie Hand genug ließen, selbstständig zu schaffen Tag für Tag. Manche Stunde habe ich in ihren Zimmern oder in meinem Büro mit ihnen gearbeitet."

"In Neubau-Angelegenheiten (Werftanlagen) verhandelte ich meist mit Herrn Blohm… Die Maschinenkonstruktionen besprach Herr Voss in der Regel mit mir in meinem Büro. Als das auch mal ausführlicher oben im Zimmer der Herren geschah, warf Herr Blohm mit scheinbarem Ernst ein: ´Machen Sie das auch? Ich denke, Sie sind eigentlich Bauingenieur´" An diesem Satz sieht man, dass Georg Asmussen ein enorm großes Arbeitsfeld bereederte. Er war praktisch technischer Werftdirektor. Wie wichtig er für die Werft war, kann man daraus ersehen, dass nach seinem Ausscheiden 1911 sein Arbeitsbereich unter drei Direktoren aufgeteilt wurde. Er selbst wollte nie Direktor werden. Er war und blieb "Oberingenieur", "Jede Schuhcremefabrikant ist Direktor. Ich bin Ingenieur" war sein Kommentar.


Die Zeit bei Bohm & Voss

Über die Zeit bei B&V berichtet GA in seinen Erinnerungen sehr ausführlich. Er beschreibt die großen Streiks, die Sozialeinrichtungen der Werft und vor allem das sehr persönliche Verhältnis der Werftbesitzer zu den Arbeitern. Darauf einzugehen würde allerdings hier den Rahmen sprengen. In der Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der Werft 1927 steht dazu "Die Belegschaft der Werft betrug bisher zu Zeiten größter Tätigkeit etwa 14000 Angestellte und Arbeiter. Ein eigner Wirtschaftsbetrieb gestattet es, diese stattliche Anzahl von Personen in einem Beamten-Speisehaus und mehreren Arbeiter-Speisehallen während der Mittagspausen und bei Bedarf auch zu anderen Zeiten zu beköstigen."


Seine Erfindungen

Ein Thema darf aber nicht unter den Tisch fallen. Das sind seine Erfindungen.
Georg Asmussen hat in seiner Ingenieurslaufbahn etliche Patente angemeldet. Durch das Kaiserliche Patent Nr. 211 613 und 215 845 vom 8.5.1904 "U-förmiges Schwimmdock" hat GA wesentlich zur Weltbedeutung von B&V beigetragen. Mit alternativen Bodenelementen und Zusammenkoppeln von bis zu 3 Schwimmdocks konnten nun in Hamburg auch sehr große Schiffe gedockt werden. Das war bisher nur in England möglich.

Zu den Patenten äußert er sich wie folgt: "Mit Kleinem fängt man an. So macht es mancher; wenn er dann aber ein kleines Ei gelegt hat, so erhebt er ein großes Gekakel, rechnet schon mit dem Küken, das daraus wird. Das groß wird und in sich einen ganzen Hühnerhof birgt. Leider geht ein solches Ei zuweilen entzwei, und meistens wird kein Küken daraus, weil es nicht befruchtet ist. Weil ihm das innere Leben fehlt… ´Kannst Du nicht wieder etwas erfinden?´ fragte gelegentlich meine Frau, wenn Anschaffungen nötig wurden. Ich suchte dann wohl auch nach einer Gelegenheit hierzu. Aber wie es auf dem Gebiet so ist; wenn man sucht, haftet der Erfindung leicht etwas Gesuchtes an. Der Verständige lässt sie dann im Tischkasten lagern."

Die meisten seiner Erfindungen entspringen einer technischen Notwendigkeit auf der Werft. So erfindet er 1888 einen Wasserstandsanzeiger, der auch im Pumpenhaus zuverlässig den Wasserstand im Hochbehälter des Kesselhauses anzeigt. Er verkauft das Patent für 300 M an Bosch und diese Anlagen werden noch Jahre später erfolgreich gebaut. Er erfindet eine elektrische Lagerschmierung. Konstruiert einen elektrischen Antrieb für die großen Dampfwinden der Werft und erfindet einen Großbackofen. " Ich erstrebte daxher kein Patent, als ich eine Heizröhre ersann, wie sie viel später als Protos-, Back- und Bratofen in die Küchen einzog. Es sollte in ihr nicht gebacken oder gebraten werden, sondern es galt, die riesigen Metallbuchsen hinreichend und gleichmäßig zu erwärmen, bis sie auf die Propellerwellen aufgezogen wurden. Das machte man bisher mit Feuer, während die Buchse aufrecht stand. Dann wurde von oben mit dem Kran die Welle hineingeführt. Die Buchse musste durch die Erwärmung gerade so weit geworden sein, dass die Welle hineinging; nach dem Erkalten musste sie dann fest sitzen. Das gelang mit den bisherigen Mitteln zuweilen nicht. Die Welle ging nicht ganz hinein, wurde zu früh durch das Erkalten der Buchse fest und musste dann durchgehobelt und entfernt werden. Das mussten wir besser machen. Ein hinreichend großes Blechrohr wurde außen mit Asbestpappe isoliert, darüber kam als Stromleiter Bandeisen, spiralförmig gewickelt, zünftig berechnet. Darüber wiederum kam eine Isolierschicht von Asbestpappe, außen wieder ein Blechrohr. Neugierig und verdächtig grinsend musterten Vorbeikommende das >Kanonenrohr<. Es kam unter den Kran. Strom angesetzt. Temperatur gemessen. Deckel ab. Welle tief genug hinein. Stopp! Strom abgeschaltet. Und als alles wieder kalt war, saß die Buchse tadellos fest."

Eigenartig ist, dass er in seinen Erinnerungen seine großen Erfindungen, wie das Schwimmdock nur am Rande erwähnt. Wie gesagt, er stellt sich dar, aber er bespiegelt sich nicht. Ein großes Kapitel sind in den Erinnerungen auch seine Reisen. Seine dienstliche Stellung auf der Werft brachte es mit sich, dass er zu Messen und Ausstellungen geschickt wird. So ist er in Paris und St. Louis auf der Weltausstellung, macht Reisen nach Holland, Belgien und Schottland. Dabei klingt in den Erinnerungen durch, dass sowohl Herr Blohm wie auch Herr Voss darauf dringen, dass GA sich auch die Landschaft ansieht und so nebenbei etwas ausspannt. Ich habe vorhin schon erwähnt, dass er auf der Werft für einen enorm großen Arbeitsbereich verantwortlich war. Er war förmlich mit Arbeit zugedeckt. Dazu kam noch seine ehrenamtliche Arbeit bei den Guttemplern und seine Schriftstellerei.

Es kommt also, wie es in solchen Fällen kommen muss, bei ihm zeigt sich um 1910 das "burn-out-syndrom". Damals kannte man die Bezeichnung noch nicht, aber er leidet unter Kopfschmerzen, kann sich nicht konzentrieren und schläft schlecht. Bei einem Urlaub in Dänemark bessert sich der Zustand, aber kurze Zeit später sind die alten Symptome wieder da. Inzwischen hat sich Georg Asmussen in Westerholz eine Sommerresidenz geschaffen und auch eine Villa gebaut. Weil er erkennt, dass er unter diesen Bedingungen nicht optimal arbeiten kann und vor allem weil er befürchtet, schlechte Arbeit abzuliefern, bittet er B&V das Arbeitsverhältnis zu lösen und in den Ruhestand gehen zu dürfen. Er kündigt und zieht sich am 1. Okt. 1911 nach Westerholz zurück. Blohm & Voss vereinbart aber mit ihm, dass er für besondere Aufgaben auch in Zukunft zur Verfügung steht.

Schon im Sommer 1912 hat B&V einen neuen Auftrag für GA. B&V hat mit den Putilowwerken in St. Petersburg einen Vertrag geschlossen. Dort in der Newamündung soll eine Großwerft gebaut werden. Die Russen bieten GA einen glänzenden Vertrag als Bauleiter der neuen Werft an. Aber GA lehnt ab. Russland ist ihm zu fremd. Und so geht er als B&V-Berater und Bauleiter nach St. Petersburg. Er bleibt bis Juli 1914 in St. Petersburg. Er erstellt Werftbauprogramm und Arbeitsprogramme und leitet die Ausbaggerung und Aufspülung eines Uferstreifens im Newadelta. Er kümmert sich unter großen Schwierigkeiten um die Pfählung eines Teils des sumpfigen Geländes, um Helgen und eine kleine Schiffbauhalle zu fundamentieren. Hier muss er im wahrsten Sinne des Wortes improvisieren und das mit Erfolg. Die Arbeitsbedingungen für ausländische Ingenieure in Russland sind schwierig. Man kann sich zwar nicht über einen Mangel an Arbeitskräften beklagen, aber die russischen Ingenieure gehen sehr theoretisch an die Probleme heran und in der mittleren und unteren Ebene fehlt es an Qualifikation. Außer an einem Mangel an Fachkräften leidet Georg Asmussen als Bauleiter vor allem unter bürokratischen Hürden und ständigen Terminüberschreitungen. Sein Resümee ist kurz gefasst: "Nicht noch einmal!"

Nach dem ersten Weltkrieg sagt GA zu dem Unternehmen St. Petersburg: "Nun könnte einer kommen und sagen, wir hätten gegen das Interesse unseres eigenen Vaterlandes gehandelt, in dem wir die Russen instand setzten, Schiffe zu bauen, die uns im Kriege bedrohten. Wir wollten Neuland gewinnen für unsere gewaltige Industrie." Nach Kriegsausbruch 1914 übergab die Kaiserliche Marine 2 im Mittelmeer stehende Kriegsschiffe, die nicht mehr durch die Straße von Gibraltar nach Hause kommen konnten, der türkischen Marine. Es folgt der Kriegseintritt der Türkei an der Seite Deutschlands und Österreichs. Und daraus folgt dann die Bitte um Unterstützung beim Ausbau des Marinearsenals und im Dockbau. Wieder wird GA von B&V gebeten die Sache in die Hand zu nehmen und so reist er unter abenteuerlichen Bedingungen nach Konstantinopel. Über seine eigentliche Tätigkeit in der Türkei schreibt GA sehr wenig. In der Familie jedoch war immer die Rede davon, dass er sich neben der Tätigkeit im Marinearsenal auch wesentlich am Aufbau der Festung Gallipoli beteiligte. Hier erlitten die Engländer 1916 bei einem Landeversuch enorme Verluste.

Die Rückreise nach Deutschland im Dezember 1916 endet damit, dass GA mit seiner Frau im Schneesturm am 24.12 1916 von Glücksburg nach Ringsberg auf den Gleisen der Kleinbahn mit Gepäck marschiert, um am Heiligen Abend 1916 rechtzeitig nach Hause zu kommen. Bis Frühjahr 1917 ist er dann noch für B&V in Hamburg zeitweise tätig. Dann aber geht er endgültig in den Ruhestand. "So waren es denn doch, Russland und die Kriegszeit mitgerechnet, ungefähr 30 Jahre geworden, die ich bei B&V tätig war."

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