Bei Schwensby

Der Sozialreformer Georg Asmussen

Georg Asmussen wurde in eine Zeit hineingeboren, in der die Massenwanderung vom Land in die Stadt einsetzt. Aus der überwiegend ländlichen Bevölkerungsstruktur wird innerhalb weniger Jahre eine Großstadt- und Industriearbeiterstruktur.

Die Situation für die nicht besitzende Landbevölkerung ist nicht rosig. Sie wird schlecht bezahlt, muß hart arbeiten und wird zum Teil auch noch im wahrsten Sinne ausgebeutet. Man kann das bei Franz Rehbein in "Das Leben eines Landarbeiters" nachlesen. Viele vor allem junge Leute sehen die einzige Möglichkeit des Fortkommens in einer Beschäftigung in der Industrie oder sie wandern nach Amerika aus. Das wiederum zieht andere Bevölkerungsschichten in die Städte hinterher. So wird berichtet, dass im aufstrebenden Berlin um 1880/90 zügeweise junge Mädchen aus Schlesien in Berlin ankommen, um als Hausgehilfinnen dort zu arbeiten. Die aufstrebenden Städte wie Berlin, Hamburg, Essen waren damals "Schmelztiegel der Völker".

Damit sind natürlich Wohnungsknappheit und Industrieproletariat als Folge im Grunde genommen vorgegeben. Viele Arbeiter entfliehen der räumlichen Enge zu Hause (1., 2., 3. Hinterhof oder die Twieten in Hamburg) in dem sie in die, an jeder Ecke existierenden, Kneipen gehen. Der knappe Verdienst wird dadurch noch geringer. Es tritt eine soziale Verelendung in vielen Fällen ein. Die Folge ist Alkoholismus in vielen Familien. Außerdem ist Alkohol teilweise das einzige Mittel bei der schweren Arbeit den Energiebedarf des Körpers schnell und effektiv zu decken. Das gab es zwar schon vorher bei den ländlichen Saisonarbeitern und Tagelöhnern, jetzt wirkt es sich auf Grund der Arbeit an Maschinen wesentlich schwerwiegender in den Folgen aus. Um 1900 wurde durchschnittlich 20 % des Arbeitslohns für Alkohol ausgegeben. An dieser Entwicklung ist auch die damals vorherrschende Trinksitte beteiligt, die ein Trinkzwang war. Die Gesellschaft erwartete, dass man sich am Alkoholkonsum zu beteiligen hatte.

In Georg Asmussens Erinnerungen tauchen einzelne Personen mit Alkoholproblemen sehr deutlich gezeichnet auf. "Wie dann alles gekommen ist, weiß ich nicht, aber sie fanden Anschluß bei einem, der sich der Vereinsamten gerne annimmt, der dem Klugen schmeichelt und der gerade den Begabten oft gefährlich wird. Zuerst sah man es gerne, dass der Pastor ´Mensch mit Menschen´ war, und seiner Frau gönnte man ihr Glas. Dann zischelte und tuschelte man, dann verurteilte man. Es sei hervorgehoben, dass er seiner vorgesetzten Behörde keine Handhabe bot zum Einschreiten, und ich füge hinzu, dass ich das hier nicht anführe, um herabzusetzen und nach Jahrzehnten noch zu verdammen. Mir haben die Leute nur Gutes getan, und es tut mir leid, dass man damals den Weg noch nicht kannte, der aus solchem Ungemach und innerer Not hinausführt. Jetzt kennt man ihn, und darum führe ich auch das hier an."

An anderer Stelle "…war ein sehr tüchtiger Schlosser und Monteur. Leider war er ´bannig im Buddel`, so dass er sich den Spitznamen ´Johann Brand´ zuzog. Er hatte die immer in der Rocktasche, sah sich dann und wann scheu um und nahm sich einen. Schade um ihn. … sind es doch oft gerade die begabten und gutmütigsten Menschen, die geliebten Söhne, die guten Kameraden, die dem Alkohol verfallen. Wie manches Genie richtete der zugrunde! Und wie manchen frischen Gesellen brachte er aus der Arbeit auf die Landstraße und schließlich in den Straßengraben! … dass da einer wäre, der es nicht litte, dass er lange am Feuer stehe, der säße in der Buddel. Er hätte mal eine Flasche gesehen, in der hätte unten auf dem Boden ein ganz kleiner Teufel gesessen. In Schmied Fischers Schnapsflasche säße auch so einer, der wäre zwar nicht zu sehen, aber eines Tages würde er herausspringen und Fischer vom Feuer jagen." Auch über sich selbst schreibt er: "Ich sah keinen Weg aufwärts… wenn ich alleine saß und grübelte. Aber das Grübeln ist immer mein Leiden gewesen, vielleicht vom Vater her. Und wenn mir der Traum der Nacht oder das Glas, der feile Helfer aller Grübelnden, die alten Hoffnungen neu aufleuchten ließ, so lag am anderen Morgen erst recht mein Weg in Grau und Dunkel. Wohl fühlte ich in mir die Kraft des Könnens, aber die öde Gleichmäßigkeit des Normalismus tötete sie, machte verdrossen und aufsässig."

Georg Asmussen sieht dieses Problem auch bei seinen Arbeitern auf der Werft. Im Winter fallen seine Leute von der Helling, weil sie sich mit Schnaps gegen die Kälte wehren. Die Konsequenz für ihn ist die Einrichtung eines Kaffee- und Teekiosk auf der Pier. Blohm und Voss stellen als Sozialleistung kostenlos einen Korb mit Rundstücken daneben, damit auch etwas zu essen da ist. Im Sommer fällen die Leute wieder von den Gerüsten, sie trinken Bier gegen die Hitze. Jetzt kommt bei Georg Asmussen die Idee auf die Leute mit Apfelsaft zu versorgen. Dieser Gedanke ist auch bestimmend dafür, dass er später auf seinem Grundstück in Westerholz über 950 Apfelbäume pflanzen lässt. Er will in Zukunft B&V mit Apfelsaft versorgen. Leider machen Weltkrieg und Inflation diesen Plan zunichte.

Vielleicht ist Georg Asmussens Kampf gegen den Alkoholmißbrauch auch einfach ein Kampf gegen letztendlich fehlende tüchtige Arbeitskräfte. Er kann bei Aufbau und Betrieb der Werft keinen tüchtigen Mann entbehren. Gute Arbeitspferde müssen gepflegt werden war eine bekannte Tatsache in der Landwirtschaft. Er ersetzt die großen Dampfwinden der Werft durch Elektrowinden. Da lecke Dampfleitungen im Winter den Boden aufweichen und zu schweren Arbeitsunfällen mit üblen Verbrennungen bei seinen Arbeitern führen. Auf Grund seiner einfachen Herkunft und des Überlebenskampfes der Familie in seiner Jugend sieht er immer den Menschen und gleichzeitig die Folgen für den Betrieb. Ein guter Handwerker und Schiffbauer lässt sich nicht von heute auf morgen im Betrieb ersetzen. Er kann nicht durch einen Handlanger ersetzt werden.

Georg Asmussen schildert die Situation der Essensversorgung der Arbeiter in seinen Lebens-erinnerungen sehr ausführlich, sei es nun bei Gebr. Klemm in Eckernförde, bei Schichau in Elbing und bei B&V in Hamburg. Dem Aufbau des Kantinenwesens und der Arbeiterversorgung mit vernünftigem Essen widmet er etliche Seiten. Auch schlägt sich dieses Thema in seinen Romanen nieder.

Anfang der 90er Jahre erfährt er von der Guttemplerbewegung in Schleswig-Holstein. Er fährt im Februar 1893 nach Flensburg und wird Mitglied in der Guttemplerloge "Digynia". Mit seinem Eintritt setzt er sich sofort für die Bewegung des Antialkoholismus voll ein. Schon drei Monate später gründet er in Altona eine Loge. Über die Anfangsentwicklung schreibt er: "Von Quartal zu Quartal wuchs die Mitgliederzahl. Wir nehmen zu an Qualität und Quantität. Jeden Sonnabend finden die offiziellen Logensitzungen und am Mittwoch zwanglose Unterhaltung.

Statt, von Zeit zu Zeit, werden sonntags´Kaffeesitzungen´ abgehalten. Im September 1893 wurde eine Kindergruppe gestiftet. Der Zweck derselben ist, durch Wort und Beispiel auf die Kinder einzuwirken und sie so zur Abstinenz und zu allem Guten gewissermaßen hinzuleiten. Eine kleine Bibliothek, Schachspiele usw. sind zur Unterhaltung und Belehrung der Mitglieder vorhanden."

Man sieht hier, dass er sehr intensiv das Problem durchdacht hat und mit ganz gezielten Maßnahmen vorgeht. Er macht eben keine halben Sachen.

In der Folge übernimmt der viel beschäftigte Ingenieur auch die Schriftleitung der Guttemplerzeitschrift, die er erst 1912 als B&V ihn nach St. Petersburg schickt, abgibt.

Schon im Herbst 1893 wird Georg Asmussen auf der Jahrestagung der Guttempler in Hadersleben stellvertretender Bundesgeschäftsführer und ein Jahr später Bundesvorsitzender. Als er den Vorsitz 6 Jahre später abgibt, bestehen 175 Guttemplergemeinschaften mit 6375 Mitgliedern sowie 14 Kindergruppen mit 601 Mitgliedern. Die Mitgliederzahl in ganz Deutschland hat sich in diesen Jahren fast verzehnfacht. Durch Georg Asmussens Einsatz ist aus der kleinen unbedeutenden Organisation die stärkste und bedeutendste deutsche Abstinenz- und Suchtselbsthilfeorganisation geworden. Er war der beste Öffentlichkeitsarbeiter in Wort und Schrift. Man muss sich dabei vorstellen, dass die Guttempler Zeitung 14tägig im Zeitungsformat erschien. Asmussen wurde für die Guttempler ein Führer, der vor keiner Aufgabe zurückschreckte. Er suchte sich selbst Männer, die ihn bei der Arbeit unterstützen. Er hält jeden Sonntag meistens mehrere Werbevorträge. Riskiert es, dass die Kneipiers ihn an die frische Luft setzen, da seine Vorträge letztendlich für sie geschäftsschädigend sind. Dagegen heuert er sich auf eigene Kosten eine Schutztruppe unter seinen Werftarbeitern an, die die Wirte unter Kontrolle halten und dann mit gezielten Fragen die Diskussion beleben. Vor allem arbeitet er klar heraus, dass Alkoholismus oder Trunksucht wie es damals heißt eine Krankheit ist. Einer Krankheit tritt man mit einer anderen Einstellung gegenüber als einem Laster. Er gibt der Guttemplerbewegung in Deutschland letztendlich eine deutsche Identität. Er unterstützte die Gründung von literarischen Zirkeln, Theatergruppen, Chören wie auch von Spielmannszügen und anderen Neigungsgruppen.

Wenn man heute liest, was Georg Asmussen in seinen Erinnerungen schreibt über die sozialen Verhältnisse in der Arbeitswelt, dann kann man begreifen, dass die soziale Seite der Arbeit inklusive des Führungsstiles in den Betrieben ihm Herzensangelegenheit war. Er hat durch seinen unermüdlichen Einsatz manches erträglicher gemacht und hat vielen Menschen geholfen. Nicht umsonst heißt das Guttemplerhaus in Hamburg "Georg Asmussen Haus";. So ist auch dort ihm ein Denkmal gesetzt worden. Wenn man heute liest, was Georg Asmussen in seinen Erinnerungen schreibt über die sozialen Verhältnisse in der Arbeitswelt, dann kann man begreifen, dass die soziale Seite der Arbeit inklusive des Führungsstiles in den Betrieben ihm Herzensangelegenheit war. Er hat durch seinen unermüdlichen Einsatz manches erträglicher gemacht und hat vielen Menschen geholfen. Nicht umsonst heißt das Guttemplerhaus in Hamburg "Georg Asmussen Haus". So ist auch dort ihm ein Denkmal gesetzt worden.

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